Was ist Body Modification? Zu Boydmod gehören Brandings (glühende Eisenstücke, mit denen Zeichen in die Haut gebrannt werden), Cuttings (zugefügte Schnitte) , das abziehen von Haut (ganze Hautstreifen, abziehen, bei denen zusätzlich Salz in die Wunde gestreut wird, zwecks der Narbenbildung), Implanting (Haut wird übermäßig gestreched/überdehnt, um Kugeln und Ringe darunter zu legen) und Zungenspalten. Der Trend kommt aus den USA und ist dort genauso beliebt wie hier zu Lande das Piercen und Tätowieren. Doch auch bereits in anderen Ländern findet dieser Trend rasend schnell Anhang.
Body Modifikation (deutsch: Körperveränderung) ist die auch im Deutschen übliche Bezeichnung für eine ganze Reihe von willentlich durchgeführten Veränderungen des menschlichen Körpers, heute meist durch darauf spezialisierte kommerzielle Anbieter. Die bekannteste und im Westen traditionsreichste Form sind Tätowierungen sowie in neuerer Zeit Piercings. Darüber hinaus gibt es aber in westlichen Ländern weitere Formen der Body - Modification, unter anderem ...
Geschichte
Tätowierungen sind in Europa schon seit jahrhunderten bekannt. Mit der Entdeckung Polynesiens erhielt die Tätowierkunst einen ersten Aufschwung. Selten wurden damals auch schon Intimpiercings, die aus der Region um den Indischen Ozean kommen, an Europäern durchgeführt. Zu Ende des 19. Jahrhundert erlebte die Tätowierkunst eine zweiten Aufschwung, der aber durch die beiden Weltkriege wieder völlig zunichte gemacht wurde. Nach den 2. Weltkrieg gab es für kurze Zeit keine hauptberuflichen Tätowierer in Deutschland und das Piercinghandwerk geriet fast völlig in Vergessenheit. Erst in seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Tätowierkunst einen neuen Aufschwung und seit den 80er Jahren wurde wieder vermehrt gepierct. In den 90er Jahren erlebten dann das Piercing einen riesigen Aufschwung und andere Formen der Body-Modification kamen auch nach Deutschland. Heute gibt es eine vielfältige Szene, die extremen Body-Modificationen (Zungenspaltung, Subinzision) sind aber in Deutschland immernoch selten, die extremsten Formen sind auch heute noch weitestgehend auf Nordamerika beschränkt, wobei Menschen, die solche Modifikationen wollen (Bifurkation, Kastration, Penektomie, Entfernung der Klitoris) dies meist dort durchführen lassen, da es dort eine große Untergrundszene gibt. Hier mal ein paar Auszüge und zusammengefasste Texte bzw. Berichte über Body Modification, die nicht von mir stammen. .... Über Zungenspalten und Brandings Quelle: Das neue Wochenende Nr. 24/2000 (8. Juni 2000) Seite 30. Autorin: Gesine Schwarz Die allermeisten Menschen wollen Verletzungen und Schmerz unbedingt vermeiden. Nicht so die Anhänger der Body Modification. Die verstümmeln sich freiwillig selbst. Manch ein Bodymod - Fan spricht auch buchstäblich mit "gespaltener Zunge" (siehe Bild rechts unten). Weitere vorsätzliche Körperverletzungen sind das "Stretching", bei dem Gewebeteile extrem überdehnt werden, und das Einsetzen von Fremdkörpern wie Kugeln oder Ringen unter die Haut ("Implanting"). Neben den recht heftigen Schmerzen nehmen die Leute dabei erhebliche Komplikationen und Entzündungen auf sich. ... Gespaltene Zungen und Implantate Anhänger der "Body Modification" verändern ihren Körper mit drastischen Mitteln PFORZHEIM/KÖLN. Die Körperveränderer kommen. In den USA hat sich "Body Modification" bereits etabliert, jetzt erfasst der Trend aus der amenkantischen Subkultur auch die Jugend in Europa. Die Praktiken der "Bodmods" wie sich die Anhänger des bizarren Trends nennen, erinnern zwar an mittelalterliche Foltertechniken, haben ihren Ursprung aber in den Ritualen von Naturvölkern. Nordamerikanische Indianer trieben wahrend der Sonnentanz-Zeremonie Haken durch ihre Brustmuskeln, die Mayas durchbohrten bei Feierlichkeiten Penis oder Zunge. Heute lassen sich Bodmods die Zunge spalten oder beim so genannten "Branding" mit glühenden Eisen Muster in die Haut brennen. "Cutting" heißt die Technik, bei der durch tiefe Schnitte ins Gewebe Narben entstehen sollen. Beliebt ist auch die Implantation von Ringen oder Kugeln unter die Haut. Nicht selten zieren kleine Hörnchen die Stirn von Bodmod-Freaks. "Lausbubenvariante" Diese Spielart bezeichnet der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke als "Lausbubenvariante" der Body Modification. "Solche Implantate lassen sich jederzeit problemlos entfernen". Benecke muss es wissen. Ein Jahr lang arbeitete er am rechtsmedizinischen Institut der Stadt New York und erforschte in seiner Freizeit die Szene der Selbstverstümmler. Bei seinen Recherchen stieß er auf eine junge Frau, deren Fall er als typisch für den Werdegang von Bodmods bezeichnet. Die studierte Soziologin begann im Alter von 26 Jahren, sich sterile Injektionsnadeln unter die Haut zu stecken. Schon wenig später ließ sie sich von einem Freund in so genannten "Play - Piercing" - Sessions- bis zu 150 Nadeln einführen und wieder entfernen. Großflächige Narbenmuster Es folgten Piercings an Bauchnabel, Zunge, Brustwarzen. Außerdem schmücken etliche Tätowierungen den Körper der mittlerweile 30jährigen. Bisheriger Höhepunkt der Veränderungen an ihrem Körper waren die langen Sitzungen, in denen am Rücken fingerdicke Hautstreifen entnommen wurden, die großflächige Narbenmuster bildeten. Die psychische Gesundheit der Bodmod - Anhänger stellt Benecke nicht in Frage. Hinter den teilweise beängstigenden Ritualen vermutet er ein gesteigertes Bedürfnis nach Beschäftigung mit dem eigenen Körper und den Hang zur Provokation. "Nacktheit und Körperlichkeit sind in den USA Tabus, die diese Leute durchbrechen wollen", sagt der Wissenschaftler. Eine eindeutige Parallele zu Menschen, die sich krankhaft andauernd selbst verletzen, sieht er nicht. Bodmods verstehen die Veränderungen am eigenen Körper nach seiner Meinung als eine Kunstform und Teil ihrer Lebensart. Partys und Rituale In den USA ist die Szene zweigeteilt. An der Ostküste haben die Bodmod-Veranstaltungen überwiegend Partycharakter. Dort hängen sich die Leute vor Publikum mal eben an Eisenhaken auf oder feiern in Clubs Feste unter dem Motto "Die Nacht der tausend Narben". An der Westküste ähneln die Treffen dagegen indianischen Ritualen, bei denen vor dem Eingriff am Körper "viel geraucht, getrunken und geredet wird" wie Benecke erzählt. Hiesige Tätowierer lehnen ab Dass der Trend zur "Body Modification" sich auch bei uns durchsetzt, glaubt Benecke nicht. Zu groß seien die Unterschiede zwischen den amerikanischen und deutschen Subkulturen. Allerdings bieten auch hierzulande inzwischen einige Tattoo- und Piercing-Studios Branding oder Cutting an. Die Pforzheimer Läden nehmen keine derartigen Eingriffe vor. Mogli Leder von "Jungle Tattoo" lehnt das künstliche Erzeugen von Narben ebenso ab, wie Implantate. "In meinen Augen ist so etwas auch unästhetisch", sagt der Tätowierer. Mediziner warnen Die Infektionsgefahr bei den Mini-Operationen hält Mark Benecke für gering. Ihm ist in Deutschland kein Fall bekannt, bei dem es wegen mangelnder Sterilität zu Komplikationen gekommen ist. Viele Mediziner sehen das anders. Weil beispielsweise bei Schnitten in die Haut of mit künstlichen Mitteln der Heilungsprozess herausgezögert wird, können Erreger leichter in den Körper eindringen. Chirurgen in den USA haben nach Implantationen von Fremdkörpern unter Haut sogar schon ganze Gliedmaßen absterben sehen. ... Gespaltene Zungen, Brandmale und herausgeschnittene Hautlappen
Körperveränderung durch Selbstverletzung – ein neuer Jugendtrend aus den USA findet auch hierzulande Nachahmer Quelle: Ärzte Zeitung, Nr. 208, 16. November 1999, S. 28. Autorin: Dr. Nicole Siegmund-Schultze Sie brennen sich mit einem glühenden Eisen ohne Betäubung Ornamente in die Haut, schneiden sich Hautlappen aus dem Körper, lassen sich die Zunge spalten oder strecken Gewebe, bis es reißt: In den Vereinigten Staaten entwickelt sich eine Jugendsubkultur mit martialischer Selbstverletzung, eine extreme Strömung in der sogenannten Body-Modifikation - Szene. Und Wissenschaftler rechnen damit, dass deren Anhänger auch in Europa Nachahmer finden werden, denn die Szene stellt sich in den elektronischen und gedruckten Medien ausführlich dar. In den USA gibt es bereits eine Berufsvereinigung gewerblicher Betreiber von Körperveränderungen. Die 28jährige S. E. ist überall am Körper tätowiert. Brustwarzen, Labien und Bauchnabel sind gepierct, die Zunge längs aufgetrennt, von einem Freund hat sie sich Hautstreifen herausschneiden lassen und verspeist. Trotz dieses bizarr erscheinenden Vergnügens meint der Kölner Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke: "Die Frau wirkt keineswegs psychisch gestört. Sie lebt selbständig, arbeitet und scheint in keiner Weise realitätsfern zu denken oder zu handeln. In New York, wo sie wohnt, fällt sie im Alltag gar nicht auf, zumal die Körperveränderungen bewusst so angelegt sind, dass sie mit Haaren und Kleidung überdeckt werden können." Benecke, bis vor kurzem am Rechtsmedizinischen Institut in New York und jetzt an der Universität Köln tätig, hat mit der jungen Frau und anderen Leuten aus der amerikanischen Body – Modification - Szene mehrere Stunden gesprochen. Für ihn ist die New Yorkerin repräsentativ für die neue Jugendkultur, über die er während der 78. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main berichtet hat. Warum das Thema auf einer Tagung für Forensiker? "Wenn Rechtsmediziner zum Beispiel bei einer Obduktion auf Narben von herausgeschnittenen Hautlappen stoßen, stellt sich natürlich die Frage, ob die Verletzungen von Fremden stammen oder vom Untersuchten selbst und dann eventuell Ausdruck präsuizidalen oder religiös motivierten Verhaltens sind." Die Motive für die massiven Selbstveränderungen, meint Benecke, sind noch weitgehend ungeklärt. 14 Monate hat er in amerikanischen Großstädten wie New York, Los Angeles und San Francisco entsprechende Studios aufgesucht und sich lange mit Behandelnden und Besuchern unterhalten. "Die meisten Menschen, die ich dort getroffen habe, wirken seelisch stabil, wobei vermutlich auch die Zugehörigkeit zu dieser Szene stabilisierend wirkt", so der Mediziner. "Es ist klar: Wer sich körperlich so stark verändert, findet einen Partner oder eine Partnerin nur unter Gleichgesinnten. Die meisten sagen, dass sie sich vor anderen Menschen nicht ausziehen, weil diese sie für pervers halten. Sie fühlen sich vor allem in der Szene verstanden. Aber die junge New Yorkerin hat auch zu ihrer Familie regelmäßigen Kontakt." In dieser Form der Körperveränderung drückt sich laut Benecke einerseits das Bedürfnis nach der Beschäftigung mit dem eigenen Körper, nach Individualität und Abgrenzung gegenüber anderen Menschen aus. Andererseits gibt es in der extremen Body – Modification - Szene seinen Beobachtungen nach kaum Einzelgänger, sie trage familienartige Züge. Militaristisches Gedankengut habe er bei keinem seiner Gesprächspartner finden können, auch nicht die Nähe zur Sado - Maso-Szene. Im Gegensatz zu Großstädten im Osten wie New York gibt es an der Westküste gelegentlich rituelle Sessions, bei denen mehrere Stunden getanzt und dabei Gewebe (meist die Brustwarzen) immer stärker aufgeweitet wird. Ein junger Mann mit durchstochenen Brustwarzen lässt sich fotografieren. Er hat sie vorübergehend durch einen Fleischerhaken miteinander verbunden -- nur so zum Spaß. ... Grüne Leichen, blasse Betrachter und die Metamorphosen der Haut
Ina Jekeli im Gespräch mit Mark Benecke Interview mit Mark Benecke über die Metamorphosen der Haut bei Faulleichen, den Plastinaten der Körperwelten-Ausstellung und in der U.S.-amerikanischen Body – Modification - Szene. Der Kriminalbiologe und freie Autor Mark Benecke spricht über Faulleichen, die Plastinate der Körperwelten-Ausstellung und die besondere Form des Umgangs mit der eigenen Haut, die sich in der US-amerikanischen Body - Modification - Szene findet. Mark Benecke: Haut ist immer die Grenzfläche zu dem, was man normalerweise wahrnimmt. Bei den plastinierten Leichen ist die Haut das, was man noch ohne weiteres wiedererkennt. Der 'Hautmensch' zum Beispiel, der ist eines von den Plastinaten, das besonders lange angeschaut wird und wo die Besucher am wenigsten wissen, was das jetzt bedeutet. Ist es eine bewusste Provokation, dass der aus der Haut geschält ist? Ich frage dann zurück, warum ist das provozierend, wenn man jemandem die Haut abzieht, während hier andere Leute, andere Plastinate, in ganz anderen Posen dargestellt sind -- die Pose provoziert anscheinend nicht so sehr, wie die Entfernung der Haut, also der Grenzfläche oder auch des Schutzes. ¶ Heißt das, dass Haut stärker als anderes als Kennzeichen des Menschlichen angesehen wird? Oder geht es eher um die Unterscheidung von Leben und Tod? Schwer zu sagen; unbewusst nimmt man über die Haut wahr, wie es dem anderen geht, wie der andere lebt und gelebt hat. Eine intakte Haut symbolisiert, dass derjenige lebt und da ist. Vielleicht erschreckt das die Leute in den Körperwelten auch so sehr, dass die Haut bis auf das kleinste Härchen erhalten ist und eine ziemlich normale Farbe hat. ¶ Bei den Faulleichen wäre es dann umgekehrt, oder? Ich denke, die meisten Leute halten Ihren Beruf für etwas sehr Gruseliges. Richtig. Meist beziehen sie sich zwar auf den Geruch und meinen, den würden sie an meiner Stelle nicht ertragen können. Tatsächlich ist es aber so, wenn man etwa Praktikanten an den Leichenfundort mitnimmt, dass es der Anblick ist, der sie zunächst vor den Kopf stößt; das ist jedenfalls mein Eindruck. Und dann werden sie selber blas; oder auch mal grün -- also Lebende. ¶ Die Haut des Betrachters reagiert auf den Anblick der Haut der Leiche. Ja, vielleicht. Deswegen finden die meisten Leute auch Mumien nicht besonders eklig. Ein typisches Kennzeichen von Mumien ist es, dass die Körperoberfläche noch relativ intakt ist. Da kann das Herz entfernt sein, wo man sagen könnte, das ist der Sitz des Lebens oder der Seele, das Gehirn kann entfernt sein, das kann alles weg sein. Aber solange die Haut, die das alles überspannt, noch da ist, kann man sich das angucken. ¶ Würde man die Haut der Faulleichen überhaupt noch als menschlich empfinden, oder nimmt man sie nur noch biologisch-medizinisch wahr? Gerade bei Faulleichen kann die Haut noch relativ normal aussehen, auch wenn die inneren Organe schon weitgehend aufgelöst sind. Ungewöhnlich ist dann eher das: Dass sie etwas Getrenntes ist, ein eigenes Organ, das ohne die anderen noch dasein kann. Am eigenen Körper nimmt man die Haut ja nicht als so etwas Getrenntes wahr, das man auch wegnehmen könnte. Da hat man, eben weil man die Haut dauernd sieht, eine ganz merkwürdige Wahrnehmung, eine ganz andere Einstellung als zu anderen Organen. ¶ In Ihren Arbeiten beschreiben Sie Faulleichen als Biotope voller Leben, die daher für Sie nichts Abstoßendes, sondern etwas durchaus Schönes haben. Wenn man in der Konsequenz weiterdenkt, dann müssten doch die Plastinate der Körperwelten in ihrer absoluten Sterilität für Sie etwas sehr Trauriges sein, oder? So grundsätzlich denke ich das nicht. Ich sehe das eine wie das andere als interessant an. An der Plastination finde ich die Technik interessant, aber auch die Reaktionen des Publikums und die Herausforderung, vor die es einen selbst stellt. Es stimmt, dass die Faulleichen, biologisch betrachtet, viel interessanter sind als ein Plastinat. Aber ein Plastinat betrachte ich nicht als Biologe, sondern unter anderen Gesichtspunkten. ¶ Unter welchen? ¶ Kommen wir zu dem Bereich, wo Haut gerade nicht selbstverständlich ist, sondern verändert und dargestellt wird: Body-Modifikation. ¶ Was bedeutet das für die Person, die es macht? Das ist ein echter Eingriff. Eine seelische Veränderung, die sich vollzogen hat oder gerade vollzieht, wird auf die Körperoberfläche gebracht. Man wählt also nicht den Weg der direkten Auseinandersetzung mit anderen, sondern kümmert sich erst mal um die eigene Haut, macht es an sich selber deutlich. Man setzt ein Zeichen und ist sich darüber im klaren, dass es, zumindest prinzipiell, für immer dableibt. Man hört zwar immer das Hauptargument der Warner im Tattoo-Studio, "wer weiß, ob dir das in zehn Jahren noch gefällt", aber das ist egal; wichtig ist die Symbolisierung der Veränderung des Zustandes, den man innerlich und gegenüber der Außenwelt hat. Und dass das an der Haut stattfindet, macht Sinn, denn sie ist die Grenze zu dem, worum es geht. Ich bin ja nicht alleine unglücklich oder glücklich, sondern mit anderen, oder ohne andere. Die Body Modification findet also symbolisch gesehen an genau der richtigen Stelle statt, nämlich der Schnittstelle zur Außenwelt. ¶ Das heißt, ein innerer Zustand spiegelt sich auf der Oberfläche. Ja, aber mehr noch: Man hat es im Griff. Nicht wie einen Gesichtsausdruck, den man nicht im Griff hat, sondern man kann selbst entscheiden, wie man das setzen möchte, was einem gefällt. Man kann also über das Symbol frei entscheiden. Es hat etwas damit zu tun, dass man Kontrolle über sich gewinnt, über den Körper, über die Seele, über die Situation. Und dadurch, dass man sich selbst aussucht, welches Symbol man wählt, ist das eine gute Möglichkeit, sich selbst Kraft zurückzugeben -- die Amerikaner sagen dazu 'empowerment'. ¶ Es geht also um Macht über sich selbst -- geht es auch um Macht oder Kontrolle über andere? Eigentlich nicht. Die Leute, die das machen, reflektieren damit vor allem über sich, und dadurch, dass sie es tun, gelangen sie in ein gewisses Gleichgewicht, tarieren es aus, und haben es dann nicht mehr nötig, auf andere Macht auszuüben. ¶ Und die Provokation, die für viele Leute von diesen Modifications ausgeht? Vermeiden die meisten. Man kann sagen, die Leute aus der Subkultur vermeiden die Provokation, etwa, indem sie die Veränderung an einer Stelle vornehmen, wo sie eher unauffällig ist, also unter der T-Shirt-Linie oder so. Was darüber hinausgeht, ist dann auch nicht notwendigerweise als Provokation, sondern als noch deutlichere Markierung gedacht. Das gilt etwa für Tätowierungen am Hals oder an den Händen, oder Body Modifications im Gesicht. Die werden schon meist als Provokation wahrgenommen. Diese dient dann, wie bei allen Jugendsubkulturen, dazu, sich abzugrenzen, von den Eltern, dem 'Establishment'. Das gibt es schon auch, aber das meiste bleibt versteckt und ist primär nicht als Provokation intendiert. ¶ Das heißt, es ist ein Akt, der für einen selber und allenfalls für die Kommunikation innerhalb der Subkultur geschieht. Ja, das würde ich so sagen. Die Leute zeigen sich auch durchaus die Piercings, oder erzählen es sich auch nur, "so, ich hab jetzt das und das neu", aber damit ist es auch meistens gut. Es ist auch nicht so, dass man sich jetzt eine besonders verrückte Body Modification ausdenkt, um in der Szene ein höheres Ansehen zu kriegen, das ist wirklich nicht der Fall. Die Leute provozieren also auch nicht innerhalb der Szene. Es gilt eher die Ernsthaftigkeit, mit der man etwas macht, auch wenn es nur etwas Kleines, vielleicht ein Zungenpiercing ist. ¶ Wo ist die Grenze zwischen der Aneignung des eigenen Körpers durch Body Modification und Selbstverstümmelung? Kann man so einen Übergang überhaupt festmachen? In der Szene ist das breit gefächert. Es fängt auf einem sehr niedrigen Niveau an, ein Ohrring ist definitiv bereits eine Body Modification, das steht nicht zur Diskussion. Die Grenze hängt dann natürlich auch von der jeweiligen Gruppe ab, zum Beispiel würden die an der Ostküste der USA sich sehr gegen spirituelle Vereinnahmungen wehren, während die an der Westküste die 'Party-Einstellung' der Ostküste ablehnen würden. Auf der körperlichen Ebene sind sie sehr tolerant; die Grenze liegt da bei Dingen, die durch ein Zusatztabu belegt sind. Die drei Kriterien in der Szene lauten "safe, sane, and consensual". Also es muss sicher sein, bei geistiger Gesundheit und in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Partner geschehen, letzteres gilt vor allem bei sadomasochistischen Praktiken; das ist wieder eine etwas andere Szene. Was also als extrem, aber immer noch okay gilt, ist etwa Nagelbettverlängerung, da wird über einen Spiralmechanismus und eine Art flächigen Haken das Nagelbett nach hinten verlängert. Da ist jetzt das Zusatztabu, dass es an den Händen und damit offen sichtbar stattfindet. Da verändert man etwas, was eine starke, soziale Zusatzbedeutung hat. Oder bei Leuten, die sich Penis und Hoden abschneiden, da ist die Zusatzbedeutung evident. Es kann auch ein Finger oder eine Hand sein. ¶ Und das fällt im Rahmen der Szene unter 'safe' und 'sane'? Das fällt immer dann unter 'safe' und 'sane' , wenn derjenige, der das tut, für alle deutlich sichtbar sane dabei ist. Und 'sane' würde zum Beispiel sein, wenn derjenige, der sich den Finger amputiert hat, sagt, "dieser Finger hat mich schon immer gestört, und jetzt geht's mir gut; ansonsten will ich auch gar nichts, ich wollte nur meinen Finger loswerden. Ihr begreift das nicht, ihr begreift nicht, warum ich mich jetzt besser fühle, ihr habt ein Problem, nicht ich" -- dann ist das 'sane'. Wenn er jetzt weitermachen würde, sich jeden Monat einen weiteren Finger amputieren würde, dann wäre das 'insane'. Es muss in sich geschlossen sein und in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Dieser Rahmen wird natürlich anders gesteckt als im Rest der Gesellschaft. ¶ Einiges, was in dieser Szene geschieht, geht ja in die Richtung von Häutung, sich also Streifen von Haut abzuschneiden oder abzureißen, oder in Richtung von Metamorphose, wie beim Lizard Man, der versucht, sich in eine Echse zu verwandeln. Würden Sie das als einen generellen Trend der Szene betrachten, diesen Metamorphose-Gedanken anhand der eigenen Haut umzusetzen? Ja, auf jeden Fall. Der Vergleich mit Insekten-Metamorphosen, also die Verpuppung, zeigt ja die Bedeutung der Haut: Das Insekt geht in völlig neuer Gestalt, auch mit neuer Haut, aus der Metamorphose hervor, und der Raum, das Gefäß, in dem sich die Verwandlung abspielt, ist die alte Haut selbst. So ähnlich ist das bei den Bodmod auch; ich bleibe in meiner alten Haut drin, verändere sie auch teilweise, wie der Deckel des Kokons, der aufgebrochen wird, aber ich innendrin habe mich vollkommen verändert. Die Metamorphose spielt sich also nicht nur an der Oberfläche ab. ¶ Das würde die besondere Aufmerksamkeit gegenüber dem 'Hautmenschen' erklären; er wäre gewissermaßen die Verkörperung dieses insanen Zustandes, komplett der eigenen Haut entkleidet zu sein. So könnte man das sehen. Und wenn die BodMods Hautstreifen rausschneiden, dann ist das eher funktional definiert; sie wollen dann eine besonders schöne, dicke Narbe erhalten, das heißt, an die Stelle dieser Haut soll etwas anderes treten. ¶ Die Provokation kam in dem Fall also von außen, nicht von innen. Sie kam von außen. Und dann will sie sich das nicht bieten lassen und macht es dann halt. Man könnte natürlich auch fragen, ist es vielleicht so, dass die Frager gar nicht provozieren wollten, sondern dass sie einfach der Meinung sind, man darf nicht Haut entfernen, man darf nicht jemandem ein Stück Haut einfach wegnehmen? Die muss wieder zurück in den Körper, und die einzige Möglichkeit ist dann offenbar, sie zu essen. Wir wissen es nicht.
|