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Was ist Body Modification?

 

Zu Boydmod gehören Brandings (glühende Eisenstücke, mit denen Zeichen in die Haut gebrannt werden), Cuttings (zugefügte Schnitte) , das abziehen von Haut (ganze Hautstreifen, abziehen, bei denen zusätzlich Salz in die Wunde gestreut wird, zwecks der Narbenbildung), Implanting (Haut wird übermäßig gestreched/überdehnt, um Kugeln und Ringe darunter zu legen) und Zungenspalten. Der Trend kommt aus den USA und ist dort genauso beliebt wie hier zu Lande das Piercen und Tätowieren. Doch auch bereits in anderen Ländern findet dieser Trend rasend schnell Anhang.

 

Body Modifikation (deutsch: Körperveränderung) ist die auch im Deutschen übliche Bezeichnung für eine ganze Reihe von willentlich durchgeführten Veränderungen des menschlichen Körpers, heute meist durch darauf spezialisierte kommerzielle Anbieter.

Die bekannteste und im Westen traditionsreichste Form sind Tätowierungen sowie in neuerer Zeit Piercings. Darüber hinaus gibt es aber in westlichen Ländern weitere Formen der Body - Modification, unter anderem ...

 

Geschichte

 

Tätowierungen sind in Europa schon seit jahrhunderten bekannt. Mit der Entdeckung Polynesiens erhielt die Tätowierkunst einen ersten Aufschwung. Selten wurden

damals auch schon Intimpiercings, die aus der Region um den Indischen Ozean kommen, an Europäern durchgeführt. Zu Ende des 19. Jahrhundert erlebte die Tätowierkunst eine zweiten Aufschwung, der aber durch die beiden Weltkriege wieder völlig zunichte gemacht wurde. Nach den 2. Weltkrieg gab es für kurze Zeit

keine hauptberuflichen Tätowierer in Deutschland und das Piercinghandwerk geriet fast völlig in Vergessenheit.

 

Erst in seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Tätowierkunst einen neuen Aufschwung und seit den 80er Jahren wurde wieder vermehrt gepierct. In den 90er Jahren erlebten dann das Piercing einen riesigen Aufschwung und andere Formen der Body-Modification kamen auch nach Deutschland. Heute gibt es eine vielfältige Szene, die extremen Body-Modificationen (Zungenspaltung, Subinzision) sind aber in Deutschland immernoch selten, die extremsten Formen sind auch heute noch weitestgehend auf Nordamerika beschränkt, wobei Menschen, die solche Modifikationen wollen (Bifurkation, Kastration, Penektomie, Entfernung

der Klitoris) dies meist dort durchführen lassen, da es dort eine große Untergrundszene gibt.

 

 

Hier mal ein paar Auszüge und zusammengefasste Texte bzw. Berichte über Body Modification, die nicht von mir stammen.

 

.... Über Zungenspalten und Brandings

 

Quelle: Das neue Wochenende Nr. 24/2000 (8. Juni 2000) Seite 30. Autorin: Gesine Schwarz

 

Die allermeisten Menschen wollen Verletzungen und Schmerz unbedingt vermeiden. Nicht so die Anhänger der Body Modification. Die verstümmeln sich freiwillig selbst.

Sie denken, Piercing und Tattoos sind was für harte Typen? Darüber können die Anhänger von Body Modification wahrscheinlich nur milde lächeln. Die "Bodmods" lassen sich - meist ohne Betäubung - die Zunge spalten, mit glühenden Eisen verbrennen oder die Haut streifenweise abziehen.

 



Manch ein Bodymod - Fan spricht auch buchstäblich mit "gespaltener Zunge" (siehe Bild rechts unten). Weitere vorsätzliche Körperverletzungen sind das "Stretching", bei dem Gewebeteile extrem überdehnt werden, und das Einsetzen von Fremdkörpern wie Kugeln oder Ringen unter die Haut ("Implanting"). Neben den recht heftigen Schmerzen nehmen die Leute dabei erhebliche Komplikationen und Entzündungen auf sich.

Psychologen streiten, ob die Bodmods krank sind oder nicht. Einerseits gilt es als normal und gesund, Schmerzen und Verletzungen zu vermeiden. Andererseits hat das "Verzieren" des eigenen Körpers durch Narben, Piercings oder riesig gedehnte Lippen und Ohrläppchen bei vielen Naturvölkern Tradition.

Und sind die alle krank? Mark Benecke (29), der sich lange in den USA aufgehalten und die Szene eingehend studiert hat, ist jedenfalls überzeugt: Die Bodmods sind "ganz normale Menschen", die in ihrem Arbeitsumfeld kaum auffallen. "Andere Leute merken meistens gar nichts davon", hat er beobachtet. Als Motivation für das seltsame Hobby vermutet der kriminologische Berater mehrere Gründe. Zum einen wird die Szene für vereinsamte Großstädter zu einer Art Ersatzfamilie. Zum anderen sieht er darin einen psychischen Ausgleich: "Einer kaut Nägel, der andere macht eben so etwas." Ob Benecke die Sache selbst ausprobiert hat, verrät er nicht. "Aber ich habe mich gründlich informiert."

 

 

... Gespaltene Zungen und Implantate

 

Anhänger der "Body Modification" verändern ihren Körper mit drastischen Mitteln

 

PFORZHEIM/KÖLN. Die Körperveränderer kommen. In den USA hat sich "Body Modification" bereits etabliert, jetzt erfasst der Trend aus der amenkantischen Subkultur auch die Jugend in Europa.

Die Praktiken der "Bodmods" wie sich die Anhänger des bizarren Trends nennen, erinnern zwar an mittelalterliche Foltertechniken, haben ihren Ursprung aber in den Ritualen von Naturvölkern. Nordamerikanische Indianer trieben wahrend der Sonnentanz-Zeremonie Haken durch ihre Brustmuskeln, die Mayas durchbohrten bei Feierlichkeiten Penis oder Zunge.

Heute lassen sich Bodmods die Zunge spalten oder beim so genannten "Branding" mit glühenden Eisen Muster in die Haut brennen. "Cutting" heißt die Technik, bei der durch tiefe Schnitte ins Gewebe Narben entstehen sollen. Beliebt ist auch die Implantation von Ringen oder Kugeln unter die Haut. Nicht selten zieren kleine Hörnchen die Stirn von Bodmod-Freaks.

"Lausbubenvariante"

Diese Spielart bezeichnet der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke als "Lausbubenvariante" der Body Modification. "Solche Implantate lassen sich jederzeit problemlos entfernen". Benecke muss es wissen. Ein Jahr lang arbeitete er am rechtsmedizinischen Institut der Stadt New York und erforschte in seiner Freizeit die Szene der Selbstverstümmler. Bei seinen Recherchen stieß er auf eine junge Frau, deren Fall er als typisch für den Werdegang von Bodmods bezeichnet. Die studierte Soziologin begann im Alter von 26 Jahren, sich sterile Injektionsnadeln unter die Haut zu stecken. Schon wenig später ließ sie sich von einem Freund in so genannten "Play - Piercing" - Sessions- bis zu 150 Nadeln einführen und wieder entfernen.

Großflächige Narbenmuster

Es folgten Piercings an Bauchnabel, Zunge, Brustwarzen. Außerdem schmücken etliche Tätowierungen den Körper der mittlerweile 30jährigen. Bisheriger Höhepunkt der Veränderungen an ihrem Körper waren die langen Sitzungen, in denen am Rücken fingerdicke Hautstreifen entnommen wurden, die großflächige Narbenmuster bildeten. Die psychische Gesundheit der Bodmod - Anhänger stellt Benecke nicht in Frage. Hinter den teilweise beängstigenden Ritualen vermutet er ein gesteigertes Bedürfnis nach Beschäftigung mit dem eigenen Körper und den Hang zur Provokation. "Nacktheit und Körperlichkeit sind in den USA Tabus, die diese Leute durchbrechen wollen", sagt der Wissenschaftler. Eine eindeutige Parallele zu Menschen, die sich krankhaft andauernd selbst verletzen, sieht er nicht. Bodmods verstehen die Veränderungen am eigenen Körper nach seiner Meinung als eine Kunstform und Teil ihrer Lebensart.

Partys und Rituale

In den USA ist die Szene zweigeteilt. An der Ostküste haben die Bodmod-Veranstaltungen überwiegend Partycharakter. Dort hängen sich die Leute vor Publikum mal eben an Eisenhaken auf oder feiern in Clubs Feste unter dem Motto "Die Nacht der tausend Narben". An der Westküste ähneln die Treffen dagegen indianischen Ritualen, bei denen vor dem Eingriff am Körper "viel geraucht, getrunken und geredet wird" wie Benecke erzählt.

Hiesige Tätowierer lehnen ab

Dass der Trend zur "Body Modification" sich auch bei uns durchsetzt, glaubt Benecke nicht. Zu groß seien die Unterschiede zwischen den amerikanischen und deutschen Subkulturen. Allerdings bieten auch hierzulande inzwischen einige Tattoo- und Piercing-Studios Branding oder Cutting an. Die Pforzheimer Läden nehmen keine derartigen Eingriffe vor. Mogli Leder von "Jungle Tattoo" lehnt das künstliche Erzeugen von Narben ebenso ab, wie Implantate. "In meinen Augen ist so etwas auch unästhetisch", sagt der Tätowierer.

Mediziner warnen

Die Infektionsgefahr bei den Mini-Operationen hält Mark Benecke für gering. Ihm ist in Deutschland kein Fall bekannt, bei dem es wegen mangelnder Sterilität zu Komplikationen gekommen ist. Viele Mediziner sehen das anders. Weil beispielsweise bei Schnitten in die Haut of mit künstlichen Mitteln der Heilungsprozess herausgezögert wird, können Erreger leichter in den Körper eindringen. Chirurgen in den USA haben nach Implantationen von Fremdkörpern unter Haut sogar schon ganze Gliedmaßen absterben sehen.

 

... Gespaltene Zungen, Brandmale und herausgeschnittene Hautlappen

 

Körperveränderung durch Selbstverletzung – ein neuer Jugendtrend aus den USA findet auch hierzulande Nachahmer

Quelle: Ärzte Zeitung, Nr. 208, 16. November 1999, S. 28. Autorin: Dr. Nicole Siegmund-Schultze

Sie brennen sich mit einem glühenden Eisen ohne Betäubung Ornamente in die Haut, schneiden sich Hautlappen aus dem Körper, lassen sich die Zunge spalten oder strecken Gewebe, bis es reißt: In den Vereinigten Staaten entwickelt sich eine Jugendsubkultur mit martialischer Selbstverletzung, eine extreme Strömung in der sogenannten Body-Modifikation - Szene. Und Wissenschaftler rechnen damit, dass deren Anhänger auch in Europa Nachahmer finden werden, denn die Szene stellt sich in den elektronischen und gedruckten Medien ausführlich dar. In den USA gibt es bereits eine Berufsvereinigung gewerblicher Betreiber von Körperveränderungen.

Die 28jährige S. E. ist überall am Körper tätowiert. Brustwarzen, Labien und Bauchnabel sind gepierct, die Zunge längs aufgetrennt, von einem Freund hat sie sich Hautstreifen herausschneiden lassen und verspeist. Trotz dieses bizarr erscheinenden Vergnügens meint der Kölner Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke: "Die Frau wirkt keineswegs psychisch gestört. Sie lebt selbständig, arbeitet und scheint in keiner Weise realitätsfern zu denken oder zu handeln. In New York, wo sie wohnt, fällt sie im Alltag gar nicht auf, zumal die Körperveränderungen bewusst so angelegt sind, dass sie mit Haaren und Kleidung überdeckt werden können."

Benecke, bis vor kurzem am Rechtsmedizinischen Institut in New York und jetzt an der Universität Köln tätig, hat mit der jungen Frau und anderen Leuten aus der amerikanischen Body – Modification - Szene mehrere Stunden gesprochen. Für ihn ist die New Yorkerin repräsentativ für die neue Jugendkultur, über die er während der 78. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main berichtet hat. Warum das Thema auf einer Tagung für Forensiker? "Wenn Rechtsmediziner zum Beispiel bei einer Obduktion auf Narben von herausgeschnittenen Hautlappen stoßen, stellt sich natürlich die Frage, ob die Verletzungen von Fremden stammen oder vom Untersuchten selbst und dann eventuell Ausdruck präsuizidalen oder religiös motivierten Verhaltens sind."

Die Motive für die massiven Selbstveränderungen, meint Benecke, sind noch weitgehend ungeklärt. 14 Monate hat er in amerikanischen Großstädten wie New York, Los Angeles und San Francisco entsprechende Studios aufgesucht und sich lange mit Behandelnden und Besuchern unterhalten.

"Die meisten Menschen, die ich dort getroffen habe, wirken seelisch stabil, wobei vermutlich auch die Zugehörigkeit zu dieser Szene stabilisierend wirkt", so der Mediziner. "Es ist klar: Wer sich körperlich so stark verändert, findet einen Partner oder eine Partnerin nur unter Gleichgesinnten. Die meisten sagen, dass sie sich vor anderen Menschen nicht ausziehen, weil diese sie für pervers halten. Sie fühlen sich vor allem in der Szene verstanden. Aber die junge New Yorkerin hat auch zu ihrer Familie regelmäßigen Kontakt."

In dieser Form der Körperveränderung drückt sich laut Benecke einerseits das Bedürfnis nach der Beschäftigung mit dem eigenen Körper, nach Individualität und Abgrenzung gegenüber anderen Menschen aus. Andererseits gibt es in der extremen Body – Modification - Szene seinen Beobachtungen nach kaum Einzelgänger, sie trage familienartige Züge. Militaristisches Gedankengut habe er bei keinem seiner Gesprächspartner finden können, auch nicht die Nähe zur Sado - Maso-Szene. Im Gegensatz zu Großstädten im Osten wie New York gibt es an der Westküste gelegentlich rituelle Sessions, bei denen mehrere Stunden getanzt und dabei Gewebe (meist die Brustwarzen) immer stärker aufgeweitet wird. Ein junger Mann mit durchstochenen Brustwarzen lässt sich fotografieren. Er hat sie vorübergehend durch einen Fleischerhaken miteinander verbunden -- nur so zum Spaß.

 

 

 

... Grüne Leichen, blasse Betrachter und die Metamorphosen der Haut

Ina Jekeli im Gespräch mit Mark Benecke

Interview mit Mark Benecke über die Metamorphosen der Haut bei Faulleichen, den Plastinaten der Körperwelten-Ausstellung und in der U.S.-amerikanischen Body – Modification - Szene.

Der Kriminalbiologe und freie Autor Mark Benecke spricht über Faulleichen, die Plastinate der Körperwelten-Ausstellung und die besondere Form des Umgangs mit der eigenen Haut, die sich in der US-amerikanischen Body - Modification - Szene findet.

Dr. Mark Benecke ist als Kriminalbiologe auf Insekten spezialisiert, die Leichen besiedeln. Während seiner Arbeit am Rechtsmedizinischen Institut in New York kam er in Kontakt mit der dortigen 'Body Modification - Szene. Daraus sind einige Arbeiten über Jugendsubkulturen hervorgegangen, die zielgerichtet den eigenen Körper durch Tattoo, Piercing, Branding, Stretching, Hautimplantate, Narbenmuster, Zungenspalten etc. verändern. Nach seiner Rückkehr aus New York hat er bei der Körperwelten-Ausstellung in Köln die Plastinate mitbetreut. Diese breitgestreuten und an sich unverbundenen Arbeitsfelder haben unser Interesse geweckt, da es stets in irgendeiner Form um Metamorphosen von Haut geht, sei es bei den gezielten Veränderungsanstrengungen bei Body Modification, bei den natürlichen Verwesungsprozessen der Haut bei Faulleichen oder der technisch erzielten künstlichen Unveränderbarkeit der Haut der Plastinate.

parapluie: Faulleichen wimmelnd von Leben, Body - Modification - Szene, plastinierte Leichen -- was bedeutet Haut für Ihre Arbeit?

Mark Benecke: Haut ist immer die Grenzfläche zu dem, was man normalerweise wahrnimmt. Bei den plastinierten Leichen ist die Haut das, was man noch ohne weiteres wiedererkennt. Der 'Hautmensch' zum Beispiel, der ist eines von den Plastinaten, das besonders lange angeschaut wird und wo die Besucher am wenigsten wissen, was das jetzt bedeutet. Ist es eine bewusste Provokation, dass der aus der Haut geschält ist? Ich frage dann zurück, warum ist das provozierend, wenn man jemandem die Haut abzieht, während hier andere Leute, andere Plastinate, in ganz anderen Posen dargestellt sind -- die Pose provoziert anscheinend nicht so sehr, wie die Entfernung der Haut, also der Grenzfläche oder auch des Schutzes.
Bei den Faulleichen ist es ähnlich; die Haut bleibt relativ lange übrig, da die Bakterien und Insekten gern das Weichste fressen, also Augen, Nase, Schleimhäute, innere Organe. Das heißt, die Haut bleibt als Grenz- und auch Erkennungsfläche erhalten. Je mehr Haut so eine Faulleiche noch hat, umso eher wird sie noch als Mensch angesehen und identifiziert. Andererseits glauben viele Leute stereotyp, Faulleichen seien grün. Das ist die maximale vorstellbare Verfärbung, eben nicht braun oder grau, sondern grün. Marsmenschen sind auch grün. Die Grenzfläche hat die falsche Farbe, und das signalisiert, dass es hinter der Grenze auch nicht mehr stimmt.

Heißt das, dass Haut stärker als anderes als Kennzeichen des Menschlichen angesehen wird? Oder geht es eher um die Unterscheidung von Leben und Tod?

Schwer zu sagen; unbewusst nimmt man über die Haut wahr, wie es dem anderen geht, wie der andere lebt und gelebt hat. Eine intakte Haut symbolisiert, dass derjenige lebt und da ist. Vielleicht erschreckt das die Leute in den Körperwelten auch so sehr, dass die Haut bis auf das kleinste Härchen erhalten ist und eine ziemlich normale Farbe hat.

Bei den Faulleichen wäre es dann umgekehrt, oder? Ich denke, die meisten Leute halten Ihren Beruf für etwas sehr Gruseliges.

Richtig. Meist beziehen sie sich zwar auf den Geruch und meinen, den würden sie an meiner Stelle nicht ertragen können. Tatsächlich ist es aber so, wenn man etwa Praktikanten an den Leichenfundort mitnimmt, dass es der Anblick ist, der sie zunächst vor den Kopf stößt; das ist jedenfalls mein Eindruck. Und dann werden sie selber blas; oder auch mal grün -- also Lebende.

Die Haut des Betrachters reagiert auf den Anblick der Haut der Leiche.

Ja, vielleicht. Deswegen finden die meisten Leute auch Mumien nicht besonders eklig. Ein typisches Kennzeichen von Mumien ist es, dass die Körperoberfläche noch relativ intakt ist. Da kann das Herz entfernt sein, wo man sagen könnte, das ist der Sitz des Lebens oder der Seele, das Gehirn kann entfernt sein, das kann alles weg sein. Aber solange die Haut, die das alles überspannt, noch da ist, kann man sich das angucken.

Würde man die Haut der Faulleichen überhaupt noch als menschlich empfinden, oder nimmt man sie nur noch biologisch-medizinisch wahr?

Gerade bei Faulleichen kann die Haut noch relativ normal aussehen, auch wenn die inneren Organe schon weitgehend aufgelöst sind. Ungewöhnlich ist dann eher das: Dass sie etwas Getrenntes ist, ein eigenes Organ, das ohne die anderen noch dasein kann. Am eigenen Körper nimmt man die Haut ja nicht als so etwas Getrenntes wahr, das man auch wegnehmen könnte. Da hat man, eben weil man die Haut dauernd sieht, eine ganz merkwürdige Wahrnehmung, eine ganz andere Einstellung als zu anderen Organen.

In Ihren Arbeiten beschreiben Sie Faulleichen als Biotope voller Leben, die daher für Sie nichts Abstoßendes, sondern etwas durchaus Schönes haben. Wenn man in der Konsequenz weiterdenkt, dann müssten doch die Plastinate der Körperwelten in ihrer absoluten Sterilität für Sie etwas sehr Trauriges sein, oder?

So grundsätzlich denke ich das nicht. Ich sehe das eine wie das andere als interessant an. An der Plastination finde ich die Technik interessant, aber auch die Reaktionen des Publikums und die Herausforderung, vor die es einen selbst stellt. Es stimmt, dass die Faulleichen, biologisch betrachtet, viel interessanter sind als ein Plastinat. Aber ein Plastinat betrachte ich nicht als Biologe, sondern unter anderen Gesichtspunkten.

Unter welchen?

Ja, eher, wie wirkt das auf die Lebenden? Bei einer Faulleiche geht es mir darum nicht, da geht es um den Kreislauf des Lebens, und das ist tatsächlich für einen Biologen sehr befriedigend. Bei den Körperwelten dagegen geht es um Kommunikation, und um einen veränderten Blick auf den eigenen Körper. Ja, das ist interessant; die Haut ist eigentlich vernachlässigt. Wenn der Hautmensch nicht da wäre, dann würde wohl niemandem auffallen, dass da überhaupt Haut ausgestellt ist. Die Haut ist egal, die spielt keine Rolle; die ist ja sowieso immer und überall da.

Kommen wir zu dem Bereich, wo Haut gerade nicht selbstverständlich ist, sondern verändert und dargestellt wird: Body-Modifikation.

Ja, da ist es jetzt völlig irrelevant, welches Gewebe unter der Haut liegt. Hier dreht es sich um die sichtbare Veränderung, sichtbar für einen selbst und für andere, und die kann eben nur auf und an der Haut stattfinden, da gibt es keine Alternative. Ich meine, Stahlkügelchen schlucken und dann anderen die Röntgenbilder zeigen, das würden wahrscheinlich alle lächerlich finden, obwohl man das ja auch machen könnte. Im Vordergrund steht die Veränderung der Haut. Also, man kann Dellen reinmachen, indem man Kügelchen drunterschiebt, oder man durchtrennt sie, schneidet sie raus, verändert sie durch Färben, Stechen, Dehnen -- alles mögliche, aber es muss an der Haut passieren.

Was bedeutet das für die Person, die es macht?

Das ist ein echter Eingriff. Eine seelische Veränderung, die sich vollzogen hat oder gerade vollzieht, wird auf die Körperoberfläche gebracht. Man wählt also nicht den Weg der direkten Auseinandersetzung mit anderen, sondern kümmert sich erst mal um die eigene Haut, macht es an sich selber deutlich. Man setzt ein Zeichen und ist sich darüber im klaren, dass es, zumindest prinzipiell, für immer dableibt. Man hört zwar immer das Hauptargument der Warner im Tattoo-Studio, "wer weiß, ob dir das in zehn Jahren noch gefällt", aber das ist egal; wichtig ist die Symbolisierung der Veränderung des Zustandes, den man innerlich und gegenüber der Außenwelt hat. Und dass das an der Haut stattfindet, macht Sinn, denn sie ist die Grenze zu dem, worum es geht. Ich bin ja nicht alleine unglücklich oder glücklich, sondern mit anderen, oder ohne andere. Die Body Modification findet also symbolisch gesehen an genau der richtigen Stelle statt, nämlich der Schnittstelle zur Außenwelt.

Das heißt, ein innerer Zustand spiegelt sich auf der Oberfläche.

Ja, aber mehr noch: Man hat es im Griff. Nicht wie einen Gesichtsausdruck, den man nicht im Griff hat, sondern man kann selbst entscheiden, wie man das setzen möchte, was einem gefällt. Man kann also über das Symbol frei entscheiden. Es hat etwas damit zu tun, dass man Kontrolle über sich gewinnt, über den Körper, über die Seele, über die Situation. Und dadurch, dass man sich selbst aussucht, welches Symbol man wählt, ist das eine gute Möglichkeit, sich selbst Kraft zurückzugeben -- die Amerikaner sagen dazu 'empowerment'.

Es geht also um Macht über sich selbst -- geht es auch um Macht oder Kontrolle über andere?

Eigentlich nicht. Die Leute, die das machen, reflektieren damit vor allem über sich, und dadurch, dass sie es tun, gelangen sie in ein gewisses Gleichgewicht, tarieren es aus, und haben es dann nicht mehr nötig, auf andere Macht auszuüben.

Und die Provokation, die für viele Leute von diesen Modifications ausgeht?

Vermeiden die meisten. Man kann sagen, die Leute aus der Subkultur vermeiden die Provokation, etwa, indem sie die Veränderung an einer Stelle vornehmen, wo sie eher unauffällig ist, also unter der T-Shirt-Linie oder so. Was darüber hinausgeht, ist dann auch nicht notwendigerweise als Provokation, sondern als noch deutlichere Markierung gedacht. Das gilt etwa für Tätowierungen am Hals oder an den Händen, oder Body Modifications im Gesicht. Die werden schon meist als Provokation wahrgenommen. Diese dient dann, wie bei allen Jugendsubkulturen, dazu, sich abzugrenzen, von den Eltern, dem 'Establishment'. Das gibt es schon auch, aber das meiste bleibt versteckt und ist primär nicht als Provokation intendiert.

Das heißt, es ist ein Akt, der für einen selber und allenfalls für die Kommunikation innerhalb der Subkultur geschieht.

Ja, das würde ich so sagen. Die Leute zeigen sich auch durchaus die Piercings, oder erzählen es sich auch nur, "so, ich hab jetzt das und das neu", aber damit ist es auch meistens gut. Es ist auch nicht so, dass man sich jetzt eine besonders verrückte Body Modification ausdenkt, um in der Szene ein höheres Ansehen zu kriegen, das ist wirklich nicht der Fall. Die Leute provozieren also auch nicht innerhalb der Szene. Es gilt eher die Ernsthaftigkeit, mit der man etwas macht, auch wenn es nur etwas Kleines, vielleicht ein Zungenpiercing ist.

Wo ist die Grenze zwischen der Aneignung des eigenen Körpers durch Body Modification und Selbstverstümmelung? Kann man so einen Übergang überhaupt festmachen?

In der Szene ist das breit gefächert. Es fängt auf einem sehr niedrigen Niveau an, ein Ohrring ist definitiv bereits eine Body Modification, das steht nicht zur Diskussion. Die Grenze hängt dann natürlich auch von der jeweiligen Gruppe ab, zum Beispiel würden die an der Ostküste der USA sich sehr gegen spirituelle Vereinnahmungen wehren, während die an der Westküste die 'Party-Einstellung' der Ostküste ablehnen würden. Auf der körperlichen Ebene sind sie sehr tolerant; die Grenze liegt da bei Dingen, die durch ein Zusatztabu belegt sind. Die drei Kriterien in der Szene lauten "safe, sane, and consensual". Also es muss sicher sein, bei geistiger Gesundheit und in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Partner geschehen, letzteres gilt vor allem bei sadomasochistischen Praktiken; das ist wieder eine etwas andere Szene. Was also als extrem, aber immer noch okay gilt, ist etwa Nagelbettverlängerung, da wird über einen Spiralmechanismus und eine Art flächigen Haken das Nagelbett nach hinten verlängert. Da ist jetzt das Zusatztabu, dass es an den Händen und damit offen sichtbar stattfindet. Da verändert man etwas, was eine starke, soziale Zusatzbedeutung hat. Oder bei Leuten, die sich Penis und Hoden abschneiden, da ist die Zusatzbedeutung evident. Es kann auch ein Finger oder eine Hand sein.

Und das fällt im Rahmen der Szene unter 'safe' und 'sane'?

Das fällt immer dann unter 'safe' und 'sane' , wenn derjenige, der das tut, für alle deutlich sichtbar sane dabei ist. Und 'sane' würde zum Beispiel sein, wenn derjenige, der sich den Finger amputiert hat, sagt, "dieser Finger hat mich schon immer gestört, und jetzt geht's mir gut; ansonsten will ich auch gar nichts, ich wollte nur meinen Finger loswerden. Ihr begreift das nicht, ihr begreift nicht, warum ich mich jetzt besser fühle, ihr habt ein Problem, nicht ich" -- dann ist das 'sane'. Wenn er jetzt weitermachen würde, sich jeden Monat einen weiteren Finger amputieren würde, dann wäre das 'insane'. Es muss in sich geschlossen sein und in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Dieser Rahmen wird natürlich anders gesteckt als im Rest der Gesellschaft.

Einiges, was in dieser Szene geschieht, geht ja in die Richtung von Häutung, sich also Streifen von Haut abzuschneiden oder abzureißen, oder in Richtung von Metamorphose, wie beim Lizard Man, der versucht, sich in eine Echse zu verwandeln. Würden Sie das als einen generellen Trend der Szene betrachten, diesen Metamorphose-Gedanken anhand der eigenen Haut umzusetzen?

Ja, auf jeden Fall. Der Vergleich mit Insekten-Metamorphosen, also die Verpuppung, zeigt ja die Bedeutung der Haut: Das Insekt geht in völlig neuer Gestalt, auch mit neuer Haut, aus der Metamorphose hervor, und der Raum, das Gefäß, in dem sich die Verwandlung abspielt, ist die alte Haut selbst. So ähnlich ist das bei den Bodmod auch; ich bleibe in meiner alten Haut drin, verändere sie auch teilweise, wie der Deckel des Kokons, der aufgebrochen wird, aber ich innendrin habe mich vollkommen verändert. Die Metamorphose spielt sich also nicht nur an der Oberfläche ab.
Die Häutung dagegen ist so eher kein Motiv. Die Haut wird als derart normaler Bestandteil aller Menschen wahrgenommen, dass eine echte Häutung vollkommen insane wäre; denn damit würde man die eigene Verwandlung gerade unmöglich machen.

Das würde die besondere Aufmerksamkeit gegenüber dem 'Hautmenschen' erklären; er wäre gewissermaßen die Verkörperung dieses insanen Zustandes, komplett der eigenen Haut entkleidet zu sein.

So könnte man das sehen. Und wenn die BodMods Hautstreifen rausschneiden, dann ist das eher funktional definiert; sie wollen dann eine besonders schöne, dicke Narbe erhalten, das heißt, an die Stelle dieser Haut soll etwas anderes treten.
Im Fall von S.E., die ihre eigene Haut aufgegessen hat, da war im Hintergrund eine ganz interessante soziale Dynamik. Die Leute, mit denen sie zusammen die Body Modification durchführt, und die das auch auf Video aufnehmen, die wollen sie ärgern und sagen, "jetzt iss die Haut noch auf, die gehört ja dazu", und dann isst sie die auch auf und ist ganz überrascht, dass man die nicht kauen kann, wie stabil die ist. Dabei müsste sie es ja wissen, sie hängt sich ja auch mit Fleischerhaken an der eigenen Haut auf, und die hält das aus. Aber daran sieht man, wie symbolbehaftet der ganze Bereich ist; die Leute beschäftigen sich nicht mit ihren Körpern, sondern mit Symbolen. Nun könnte man sich auch fragen, warum kommen die Jungs, die da drumherumstehen, auf die Idee, sie zu ärgern und sie zu fragen, ob sie ihre Haut essen will? Warum fragen sie sie überhaupt? Natürlich ist das ein gewaltiges Tabu, aber es gibt eigentlich auch keine Notwendigkeit, noch mehr Tabus zu brechen als sie es sowieso tut.

Die Provokation kam in dem Fall also von außen, nicht von innen.

Sie kam von außen. Und dann will sie sich das nicht bieten lassen und macht es dann halt. Man könnte natürlich auch fragen, ist es vielleicht so, dass die Frager gar nicht provozieren wollten, sondern dass sie einfach der Meinung sind, man darf nicht Haut entfernen, man darf nicht jemandem ein Stück Haut einfach wegnehmen? Die muss wieder zurück in den Körper, und die einzige Möglichkeit ist dann offenbar, sie zu essen. Wir wissen es nicht.


... Körperkult: Freiwillig ins Folterstudio

Source: SPIEGEL Nr. 13 (27. März 2000), Seite 298-300

Sie lassen sich die Zunge spalten, Hautstreifen vom Leib ziehen oder Narben ins Fleisch brennen: Anhänger der "Body Modification" eifern mit ihren Ritualen den Naturvölkern nach. Mediziner und Psychologen streiten darüber, ob die Selbstverstümmler psychisch Kranke sind.

von Günther Stockinger

Voluntarily into the Torture Studio
Body cult: They have their tongues split, removed strips of their skin or burn scars into their flesh: "Body Modification" fans imitate the rituals of primitive tribes. Doctors and psychologists argue as to whether the self-mutilators are mentally ill. Interest in body modification has increased sharply in the youth sub-culture of the USA over the past five years. The deliberately self-inflicted wounds have little in common with tattoos or piercing.

Die New Yorker Soziologin entschloss sich zu einer radikalen Veränderung ihres Körpers. Gegen Barzahlung fand sie im Multikulti - Viertel East Village einen niedergelassenen Chirurgen, der ihr die Zunge mit dem Laser-Skalpell vier bis fünf Zentimeter tief spaltete. Der Eingriff musste im Abstand von mehreren Monaten zweimal wiederholt werden, weil die Zunge von der Basis her immer wieder zuwuchs.

Seit der dritten, unter Lokalanästhesie vorgenommenen Schneide-Prozedur gehört die New Yorkerin zum exklusiven Kreis der Amerikaner, die mit gespaltener Zunge sprechen. Da die beiden Organhälften vom Gehirn offenbar unabhängig voneinander gesteuert werden, kann die Soziologin die Zungenspitzen horizontal und vertikal gegeneinander verschieben und mit ihnen sogar einfache Greifaufgaben bewältigen - etwa die Zigarette halten.

Mit Verstümmelungen am eigenen Körper ist die 29-Jährige mittlerweile zu einer bekannten Figur in der US-Szene der „Body Modification" - Anhänger („Bodmods") geworden. Unter anderem lässt sie sich bei „Sessions" mit ihren Freunden an Bauch und Rücken bis zu 150 Injektionsnadeln quer unter die Haut schieben. Ebenso erträgt sie stundenlange Häutungen, bei denen fingerbreite Hautstreifen ohne Betäubung entfernt und hässliche Narbenwülste erzeugt werden.

In der jugendlichen Subkultur der USA hat das Interesse an Body Modification in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Über „Conventions" und „Netzwerke" breitet sich der Trend derzeit „bis ins letzte Kaff" aus, berichtet der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke, der den bislang vor allem in Amerika grassierenden Verstümmelungskult wissenschaftlich zu ergründen versucht.

Mit Tätowierungen und Piercings haben die planvollen Selbstverletzungen nicht mehr viel gemein. In vielen Bodmod - Studios hängt der Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft, weil selbst ernannte Folterknechte die Körper ihrer Klienten mit rot glühenden Eisen traktieren („Branding").

Extreme Gewebedehnungen („Stretchings") und Genitalpiercings zeichnen Bodmod - Anhänger bis an ihr Lebensende. Gewebeschnitte („Cuttings"), bei denen die Wunden häufig mit Mineralpulver oder Meersalz eingerieben und wiederholt nachgeschnitten werden, um die Narbenbildung zu verstärken, zaubern bleibende Versehrungen auf die Haut. „Es scheint ein Bedürfnis nach bizarren Körperritualen zu geben", erklärt der Kriminalbiologe, „das in unserer Gesellschaft nicht gestillt wird."

Vieles wird auf Video festgehalten, weil die blutigen Akte nicht beliebig wiederholbar sind. Anders als an der amerikanischen Ostküste finden die Selbstverstümmelungen in den Metropolen im Westen oft als rituelle „Sessions" und „Performances" vor handverlesenem Publikum statt.

Die Kontrolle über den Schmerz ist den Folter-Fans wichtiger als ein möglicher sexueller Reiz. „Mit Sadomasochismus", erläutert Benecke, „haben die meisten in der Szene nichts am Hut." Europäische Betrachter reagieren auf die Verstümmelungspraktiken geschockt. Über ein Jahr lang hat Benecke am Rechtsmedizinischen Institut der Stadt New York gearbeitet. In seiner Freizeit interviewte er Anhänger des Bodmod - Kults. Als er das Ergebnis seiner Recherchen kürzlich auf einer Tagung deutscher Rechtsmediziner in Frankfurt am Main präsentierte, waren selbst abgebrühte Obduktionsexperten über die gezeigten Bilder bestürzt.

Beim Kongress anwesende forensische Psychiater murmelten angesichts der Verstümmelungen ratlos von „Borderline - Persönlichkeiten". Sind die Selbstverstümmler also nur psychisch Kranke? Dann müssten Persönlichkeitsstörungen bei Urvölkern die Regel sein. Denn die Gewohnheit, den menschlichen Körper als Mal-, Brand- und Schneidegrund zu betrachten, ist fast so alt wie der Mensch selbst. Auf ägyptischen Mumien etwa haben Archäologen Spuren von Tätowierungen, Schmucknarben und Nabelpiercings entdeckt. Die mittelamerikanischen Mayas durchbohrten bei rituellen Feiern Penis oder Zunge. Die noch weichen Schädelknochen ihrer Säuglinge und Kleinkinder wurden dem herrschenden Schönheitsideal entsprechend verformt. Nordamerikanische Indianer baumelten beim "Sonnentanz", der so genannten 0-Kee-Pa-Zeremonie, an Fleischerhaken, die sie sich durch Brusthaut und -muskeln trieben. Extreme Gewebedehnungen sind noch heute in vielen afrikanischen Kulturen weit verbreitet. Narbenmuster auf der Haut signalisieren Stammeszugehörigkeit, sozialen Rang, durchlaufene Lebensstadien oder die Intaktheit des Immunsystems. „Wir alle machen etwas mit unserem Körper", sagt Enid Schildkrout, Anthropologe am Amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York, „um anderen zu zeigen, wer wir sind - selbst wenn wir uns nur die Haare kämmen."

Verstümmelungstraditionen sind aber beileibe nicht auf entlegene Regionen und vergangene Kulturen beschränkt. Auch Mitglieder schlagender Verbindungen sind stolz darauf, sich durch die Mensur prachtvolle Narben zuzufügen. Bis heute steht der Schmiss in bestimmten Kreisen für Maskulinität, Unerschrockenheit und gehobenen sozialen Status. Früher waren viele Frauen ganz wild auf die Narbenträger: „Ein Renommier-Schmiss zeigte", so der US-Historiker Kevin McAleer, „dass sein Träger Mut und Ausbildung besitzt - und damit ein guter Bräutigam ist." Einige der Männerbündler tauchen gelegentlich noch heute bei plastischen Chirurgen auf, um sich ihre Narben kunstvoll nachbessern zu lassen. Auch das Nipple-Piercing ist ein alter Brauch, den vermutlich schon die Offiziere der römischen Legionen praktizierten.

Ende des 19. Jahrhunderts tauchte die delikate Mode in der mitteleuropäischen Damenwelt auf. In vielen Dekolletes wogte nicht nur der Busen, sondern auch das zwischen den Brustwarzen baumelnde Kettchen. Nur spekulieren lässt sich, weshalb solche Bodmod-Praktiken gegenwärtig eine Renaissance erleben. Vielen Szene-Anhängern, vermutet Benecke, fehlt die Nähe zum eigenen Körper. Auf dem Umweg über die schmerzhaften Prozeduren und die bleibenden Narben versuchen sie, die Leere zu füllen.

Etliche von ihnen sind Singles. Durch die Zugehörigkeit zur Body-Modifikation schaffen sie sich eine Ersatzfamilie. Für andere wird der Endorphinrausch zur Droge, die bei stundenlangen Sessions konsumiert werden muss: „Der Schmerz", berichtet eine amerikanische Bodmod-Anhängerin über die angeblich bewusstseinserweitende Erfahrung, „ist wie das High bei einem Läufer."

Teile der Szene verstehen sich überdies als „moderne Primitive". Sie sind auf der Suche nach verschütteten stammesgeschichtlichen Wurzeln. Wenn sie ihre Körper, wie beispielsweise bei der noch immer praktizierten indianischen 0-Kee-Pa-Zeremonie, malträtieren, glauben sie, wieder an Urgefühle anknöpfen zu können, die in den modernen westlichen Gesellschaften verloren gegangen seien.

Unter Psychologen ist die Ursache des Tobens im eigenen Fleisch umstritten. Manche von ihnen, wie der Psychiater Armando Favazza von der University of Missouri, Verfasser eines einschlägigen Standardwerks über den Graubereich zwischen Körperkunst und pathologischer Selbstverstümmelung, attestieren dem Treiben der Bodmod-Jünger sogar gelegentlichen therapeutischen Nutzen. Der Psychiater berichtet von Frauen, die nach einer Vergewaltigung das Piercing-Studio aufgesucht haben: „Indem sie sich körperlich zeichnen ließen", so Favazza, „reklamierten sie ihre Körper für sich zurück. Die qualvolle Prozedur vermittelte ihnen ein Gefühl der Kontrolle."

Die britische Psychologin Dorothy Rowe hingegen hält solche kühnen Erklärungsversuche für „krank machenden Mist". Ähnlich empfindet es die Kollegin Corinne Sweet: „Wenn Schmerz zu einem Vergnügen wird und wir nicht vor ihm weglaufen", urteilt die Expertin, „dann liegt das daran, dass wir ihm in unserem früheren Leben ausgesetzt waren und lernen müssten, ihn auszuhalten." Die meisten Mediziner warnen vor den Zeitgeist-Folterkünsten. US-Experten für plastische Chirurgie sehen nach Materialimplantationen unter die Haut immer häufiger gefährliche Infektionen, die zum Verlust ganzer Gliedmaßen führen können. Auch durch den künstlich hinausgezögerten Heilungsprozess beim Cutting wächst die Gefahr, dass Erreger in den Körper eindringen und dort für bleibende Schäden sorgen. „Das gleiche", warnt der US-Dermatologe Dave Eilers von der Loyola University, „gilt für Verbrennungen."

„Es dürfte schwierig sein zu entscheiden", meint Benecke, „ob Body Modification Selbsttherapie ist oder krankhaftes Verhalten." Zumindest einige der Bodmod-Jünger, glaubt der Forscher, neigten auf Grund traumatischer Erlebnisse in der Kindheit zu den schmerzhaften Körperpraktiken. Selbst für die Abgebrühtesten gibt es aber offenbar eine Ekel-Grenze. Als der Kölner Experte für biologische Tatortspuren, ein Spezialist für Faulleichen und die an ihnen schmarotzenden fetten gelblichen Maden, einige Selbstverstümmler ins Leichenschauhaus der New Yorker Rechtsmedizin lud, waren selbst die coolsten unter ihnen auf einmal verdächtig still. „Am Ende des Besuchs", berichtet Benecke, „hielten sie mich für freakiger als sich selbst."

Bilder (nur im Original)

 

Meine Meinung zu Body – Modification:

Für mich gehören Piercings und Tätowierungen ebenso zu Body – Modification wie auch Implantate, Cuttings, Brandings, etc.  Ich finde, Body Modification ist eine Verschönerung des Körpers. So wie andere Schmuck anziehen oder sich kiloweise Make - up ins Gesicht hauen, so verzieren die BodMods ihren  Körper. Es hat nichts mit seelischer Instabilität zu tun (wenn dann nur in wenigen einzelnen Fällen) oder mit psychischen Erkrankungen wie Borderline – Persönlichkeiten. Body Modification ist einfach nur die pure Hingabe zu  seinem Verlangen nach dem Streben zur Perfektion. Wenn ich mir Körper ansehe, die bis ins kleinste Detail Perfektioniert sind (zum Beispiel die Katzen Frau mit ihren Schnurrhaaren), dann sehe ich keine kranken Freaks, ich sehe einfach Menschen, die ihren Kopf und Willen gegen die Masse durchgesetzt haben und ihren Traum Leben.

Mein Tipp für alle die sich für das Spalten von Zungen interessieren, geniale Brandings und Cuttings haben wollen oder einfach nur super gepierct werden wollen: Schaut auf die Homepage von Visavajara Freiburg und überzeugt euch selbst von den Bildern  !!!